Vorratsdatenspeicherung: Definition, Zweck & aktueller Stand

Vorratsdatenspeicherung: Definition, Zweck & aktueller Stand

Vorratsdatenspeicherung: Definition und Bedeutung

Bei der Vorratsdatenspeicherung handelt es sich um ein Instrument, das aus der Kriminaltechnologie stammt. Hierbei werden Anbieter von öffentlichen Kommunikationsnetzen oder öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationssystemen verpflichtet, vorgegebene Daten über viele Jahre abzuspeichern und bestimmten Organisationen zur Verfügung zu stellen.

Dabei handelt es sich um Daten, die Auskunft geben über Vertragsverhältnisse, Änderungen oder Beendigungen bzw. Ausgestaltungen von Verträgen. Zudem werden bei der Nutzung von Telekommunikation (Telefon und Internet) die Umstände (Verbindungsdaten) gespeichert. Die Inhalte der Kommunikation speichert man dabei nicht. Bei der Nutzung eines Mobiltelefons wird außerdem gespeichert, in welchen Funkzellen sich die Gesprächspartner gerade befinden. Bei der Internet-Nutzung werden der Anmeldezeitpunkt und die zugehörige IP-Adresse gespeichert. Die gespeicherten Daten dienen zum Zwecke der Verfolgung, Ermittlung und Feststellung von Straftaten.

Die hierfür gewünschte Speicherfrist geht deutlich über die Frist für normale Verträge hinaus. Vollkommen ohne Anlass mussten von 2008 bis 2010 Vertragspartner diese Daten auf Vorrat speichern, daher stammt auch der Name. Es war noch nicht einmal ein bestimmter Tatverdacht erforderlich. Bei den zu speichernden Daten handelte es sich um:

  • Telefonnummern der Gesprächspartner
  • Standorte der Gesprächspartner
  • Gesprächszeiten
  • verwendete IP-Adressen

Damit konnte man, ohne direkten Zugriff auf die eigentliche Kommunikation, das Verhalten der Gesprächsteilnehmer auch in der Vergangenheit rekonstruieren.

Der Unterschied zwischen Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikationsüberwachung

Mithilfe der Vorratsdatenspeicherung will man schwere Straftaten verhindert und besser verfolgen können. Dabei unterscheidet sich die Vorratsdatenspeicherung von der sogenannten Telekommunikationsüberwachung. Obwohl auch hier die Anonymität nicht gegeben ist, ist in diesem Fall eine Datenerhebung für die Zukunft erlaubt. Denn erst ab dem Zeitpunkt des Einsetzens der Maßnahme speichert man die Daten.

Bei der Telekommunikationsüberwachung erhebt man zudem selbst die Daten der zuvor definierten Teilnehmer von den Sicherheitsorganen. Dementgegen erfolgt die Vorratsdatenspeicherung beim Anbieter, und die Daten sind auf Verlangen der Behörde zur Verfügung zu stellen.

Während man bei der Vorratsdatenspeicherung „lediglich“ Standortdaten und Quelldaten speichert, speichert man bei der Telekommunikationsüberwachung sämtliche Gesprächsinhalte. Das bedeutet, dass bei einem Telefonat das Gespräch abgehört oder E-Mails gelesen werden.

Zwecke der Vorratsdatenspeicherung: Verhütung und Verfolgung von Straftaten

Alle Mitgliedstaaten der EU sind seit dem Jahr 2006 dazu verpflichtet, die Vorratsdatenspeicherung durchzuführen. Hierfür wurde im Jahr 2008 in Deutschland ein Gesetz entworfen, das die Telekommunikationsüberwachung neu regelt. Daraufhin gab es viele Klagen, woraufhin das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften der Vorratsdatenspeicherung am 2. März 2010 für nichtig und verfassungswidrig erklärte. Mit dem Urteil hat man deutsche Anbieter von Kommunikationssystemen verpflichtet, die bis dahin gesammelten Daten restlos und sofort zu löschen.

Begründet hat man das Urteil damit, dass es keinerlei konkrete Maßnahmen bei der Vorratsdatenspeicherung gäbe, die die Datensicherheit betrifft. Außerdem sei mit dem Gesetz die Hürde für Datenzugriffe von staatlicher Seite her viel zu niedrig angesetzt. Gemäß dem Bundesverfassungsgericht verstößt das Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung gegen Artikel 10 Abs. 1 Grundgesetz. Daraufhin erklärte am 8. April 2014 der Europäische Gerichtshof die Richtlinie für die Vorratsdatenspeicherung ebenfalls für ungültig. Die Richtlinie sei nicht mit den Grundrechten der Europäischen Union vereinbar.

Die Speicherung von Verkehrsdaten ist in Deutschland lediglich für eine Dauer von sieben Tagen erlaubt. In dieser Zeit dürfen Internetanbieter IP-Daten ihrer Kunden speichern. Im Oktober 2015 wurde in Deutschland ein neues Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Dieses trat am 18. Dezember 2015 in Kraft. Die dort festgelegten Pflichten für Speicherungen waren ab dem 1. Juli 2016 gültig. Auch hiergegen wurde von vielen Seiten Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Der Europäische Gerichtshof bekräftigte nochmals im Dezember 2016, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht legal ist. Auch das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat am 20. Juli 2017 beschlossen, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstößt.

Vorratsdatenspeicherung: Verstößt das Gesetz gegen die Grundrechte?

Eigentlich sollte noch 2018 vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden, ob das derzeit gültige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufrechterhalten wird oder ob es gegen das Grundgesetz verstößt. Die Bundesregierung hat nun jedoch den Europäischen Gerichtshof um Rat gefragt. Möglich ist, dass die endgültige Entscheidung entweder auf unbestimmte Zeit verschoben oder sogar ganz gekippt wird.

Der Europäische Gerichtshof soll prüfen, ob die aktuell gültige nationale Vorratsdatenspeicherungsregelung gegen die europäischen Grundrechte verstößt. Bereits im Jahr 2016 hatte der EuGH die Vorratsdatenspeicherung gestoppt und festgestellt, dass sie gegen die Grundrechte verstößt. Im damaligen Urteil ging es aber nicht um das in Deutschland geltende Gesetz, das 2015 verabschiedet worden war. Die Bundesregierung hat mit diesem Gesetz bereits zum zweiten Mal versucht, eine Verpflichtung für die Speicherung sämtlicher Kommunikationsdaten einzuführen. Aktuell wird das Gesetz nicht angewandt, da es mehrere anhängige Klagen dagegen gibt.

Neue Kommunikationsmodelle lassen die Vorratsdatenspeicherung derzeit ruhen

Die Notwendigkeit für die Vorratsdatenspeicherung wird damit begründet, dass sie erforderlich ist, um den Terrorismus und die Kriminalität zu bekämpfen. In den letzten Jahren nahm die elektronische Kommunikation stark zu. Daher handelt es sich bei der Nutzung dieser Daten um ein wirksames Mittel, das der Strafverfolgung dienen kann.

Aufgrund von neuen Kommunikationsmodellen, wie zum Beispiel Gratistelefonate, Prepaid-Tarife oder Pauschalpreise, speichert man viele Daten von den Mobilfunkunternehmen nicht mehr – früher war es üblich. Das Verwaltungsgericht in Köln hat im April 2018 entschieden, dass die Deutsche Telekom nicht verpflichtet ist, Kundendaten gemäß § 113a Telekommunikationsgesetz (TKG) langfristig zu speichern. Somit müssen auch andere Telekommunikationsanbieter aktuell keinerlei Verbindungsdaten festhalten.